Seit Oktober 2015 kann ich absehen das ich meine beruflichen Projekt zum Jahresende abschließen könnte. Die Chance auf einen größeren Urlaub tut sich auf.
Wenig später ist alles in den Wege geleitet.
Mein erster 6000-er steht auf der Wunschliste. Aufgrund der möglichen Reisezeit: Dez.-Jan., kristallisiert sich schnell Südamerika als mögliches Reiseziel heraus. Nach weiteren Recherchen entschließe ich mich für Chile.
Aufgrund der Erfahrungen aus Nepal und der Freude im hohen, teils vergletschertem Gelände unterwegs zu sein entschließe ich mich schon vor der Reiseplanung einen Hochtouren-Kurs zu absolvieren.
Im Familien- und Freundeskreis werden meine Reiseziel und Aktivitäten in den Bergen zunehmend kritischer gesehen. Teilweise ist von Extremsport die Rede. Ängste und Sorgen werden ausgesprochen.
Das finde ich zunächst nachvollziehbar. Allerdings finde ich auch das meine bisherigen und momentan geplanten Touren zwar weit ab von herkömmlichen Urlaub oder Freizeitbeschäftigung anderer Leute ist, aber bis zum Extremsport ist es doch noch eine Weile hin....
Ja, das eine oder andere Vorhaben birgt Gefahren und Risiken. Doch meine umfangreichen Vorbereitungen: sei es mental, körperlich - konditionell oder auch Wahl und das Handling des Equipments machen es aus meiner Sicht kalkulierbar diese Risiken einzugehen. Das werden alle Leute behaupten die an Grenzen gehen und man muss aufpassen das man objektiv und reflektiert die Risiken abwiegt, dessen bin ich mir bewusst.
Auch aus diesem Grund höre ich mir die Bedenken gerne an, aber es müssen auch meine erklärenden Argumente angehört und berücksichtigt werden.
Zurück zur Hochtour:
Für 5 Tage geht es an der Wildspitze auf den Gletscher. Im Taschachhaus ist das Basislager.
Es werden alle relevanten Fähigkeiten und Fertigkeiten vermittelt um sich sicher am und auf dem Gletscher zu bewegen. Der Kopf raucht, aber es macht auch sehr viel Spaß.
Über den Hochtourenkurs hinaus bereite ich mich wieder umfassend vor. Meine Ausrüstung wird von einer gehobene Wanderausrüstung zur Bergsteigerausrüstung mit Schwerpunkt Hochtour und leichter Kletterei aufgestockt.
Auch dieses Mal mache ich wieder zahlreiche Ein- und Mehrtagestouren um die Form aufzubauen.
Außerdem geht es viel Bouldern und zu Hause hänge ich an der Zimmerdecke und üben das Handling mit Seil und Co.
Am 27.12.2015 geht es dann wieder los. 28 kg Ausrüstung sind im Gepäck, so viel wie noch nie...
Da 4 ganze Wochen zur Verfügung stehen organisiere ich erst alles vor Ort. Die Wunschliste besagt nur: Wüste, Bergsteigen und vielleicht nach Patagonien --- mal schauen.
Die ersten Tage verbringe ich in Santiago und Umgebung.
Kurz vor dem Jahreswechsel geht es in die Atacama-Wüste.
Dort geht es zum Mondtal, zum Todestal, zu den heißen Quellen oder einfach nur in die Salzwüste.
Zu Silvester werden traditionell Puppen verbrannt, um die bösen Geister zu vertreiben.
Im Anschluss geht es zurück nach Santiago. Gleich zu Beginn der Reise hatte ich einen Bergführer gefunden und es wurde auch schon alle Einzelheiten besprochen. Während ich im Norden von Chile würden allen Vorbereitungen getroffen und die Genehmigungen eingeholt.
Starten wollen wir mit einer kleinen Trainingstour, um zu schauen wie das Team harmoniert und ob alle auf dem selben Level unterwegs sind. Wir gehen sofort in die vollen und machen am ersten Tag incl. Transfer mit dem Auto 3500Hm. Am nächsten Morgen hat dröhnt der Kopf, wir merken die Höhe... Wir gehen auf Nr.-Sicher und steigen wieder ab.
Ein Tag zur Erholung und dann geht es auf die eigentliche Tour. Cerro Marmolejo 6108m steht auf dem Plan.
Durch lange und kräftezehrenden Tage gewinnen wir schnell an Höhe. Manchmal machen wir auch nur Materialtransporte und steigen zum Schlafen wieder ab. Unser High-Camp errichten wir auf 5100m.
Der Wetterbericht per Satellitentelefon sagt ein klare und eisige Nacht mit etwas Wind vorher. Wir beschließen den Gipfelsturm.
2 Uhr aufstehen, Wasser schmelzen Frühstücken, Ausrüstung incl. Steigeisen anlegen und Seilschaft bilden. 3:50 Uhr abmarsch. Es ist ar.....-kalt! Wir stapfen durch die Dunkelheit und kommen nur langsam voran. Irgendwann wird es hell, doch wir stehen im Schatten des Gipfels. Der Wind holt uns fast von den Beinen, ich spüre die Füße nicht mehr und das Gefühl in den Händen ist auch nur noch mäßig. Mir war noch nie soooo kalt! Irgendwann beschließen wir umzukehren. Das GPS sagt 5900m, der Gipfel ist in Sichtweite. Bei guten Bedingungen vielleicht noch 40min. Aber egal, wir wollen nur noch runter. Ab in den Schlafsack und Tee trinken. Gegen 11 Uhr haben wir es dann geschafft.
Meine Zehen sind taub, ich spüre erst gar nichts und dann nur noch Schmerzen. Ich kann kaum einen Schritt tun.
Trotzdem beschließen wir am nächsten Moregn den Abstieg. Und es geht ganz gut. Gegen Mittag entschließen wir uns den gesamten Rückweg am heutigen Tag zu abreisen zu wollen. Es wird ein sehr langer Tag und die Knie bestätigen es am Abend es geht bergab, bergab, bergab.
Doch am Ende sind wir heil zurück.
Nach einem Ruhetag buche ich den nächsten Flug und es geht weiter in den Süden.
Trotz der lädierten Zehe mache ich noch ein Wanderung auf einen Vulkan, bis an den Krater heran und Man kann sogar die Lava sehen. Außerdem spazieren ich noch durch den Reserva Nacional Villarrica.
Schon vor dem Rückflug lässt sich erahnen das ich mit den Zehen noch ein Thema bekommen werde....
Gleich vorweg: es sind in den 3 Monaten nach meiner Rückkehr alle Nägel ausgefallen. Bis heute sind sie viel empfindlicher gegenüber Kälte als zuvor. Doch das kann mich nicht davon abhalten zur traditionellen Weihnachtswanderung in die Ostsee zu springen...
Grenzen gesucht und gefunden kann man da wohl sagen. Es war ein Wahnsinns-Erlebnis! Sehr sehr anstrengend aber auch wunderschön, lehrreich und offenbarend.
Ende gut, alles gut, könnte man auch sagen. Wieder eine Hammer-Reise! Viele unvergessliche Momente. Viel gelernt auch über sich selbst. Gerne wieder!